3. Impuls zu "7 Wochen ohne Stillstand"

Dranbleiben

Bibeltext: Matthäus 4,1-1

Die Versuchung Jesu. Danach wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt. Dort sollte er vom Teufel auf die Probe gestellt werden. Jesus fastete 40 Tage und 40 Nächte lang. Dann war er sehr hungrig. Da kam der Versucher und sagte zu ihm: „Wenn du der Sohn Gottes bist, befiehl doch, dass die Steine hier zu Brot werden!“ Jesus aber antwortete: „In der Heiligen Schrift steht: Der Mensch lebt nicht nur von Brot. Nein, vielmehr lebt er von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.“

Dann nahm ihn der Teufel mit in die Heilige Stadt. Er stellte ihn auf den höchsten Punkt des Tempels und sagte zu ihm: „Wenn du der Sohn Gottes bist, spring hinunter! Denn in der Heiligen Schrift steht: Er wird seinen Engeln befehlen: Auf ihren Händen sollen sie dich tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Jesus antwortete: „Es steht aber auch in der Heiligen Schrift: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen!“

Wieder nahm ihn der Teufel mit sich, dieses Mal auf einen sehr hohen Berg. Er zeigte ihm alle König-reiche der Welt in ihrer ganzen Herrlichkeit. Er sagte zu ihm: „Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest!“ Da sagte Jesus zu ihm: „Weg mit dir, Satan! Denn in der Heiligen Schrift steht: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihn allein verehren!“ Daraufhin verließ ihn der Teufel. Und es kamen Engel und sorgten für ihn. (Basisbibel Mt 4,1–11)

Dieser Stein mit der Aufschrift „Im Ja zum Willen Gottes verliert das Leiden seine Macht“ kennzeichnet das nördliche Ende des Kurparks in Bad Windsheim. Er dient zugleich als Markierung mehrerer Wanderwege, die hier zusammentreffen. Für mich hat dieser Stein Bedeutung, weil er Start- und Zielpunkt einer Runde ist die ich im Joggingtempo durchlaufe, wenn ich mich sportlich betätigen will. Das Stichwort „Leiden“ spricht mich dabei besonders an, denn die ersten Minuten beim Joggen empfinde ich meist als Qual. Der Körper ist kalt, die Atmung geht schwer, die Beine tun weh. Es läuft nicht rund. In mir kommt die Frage hoch, warum ich mir das antue, wo ich es daheim im Sessel viel bequemer haben könnte. Die Versuchung ist groß aufzugeben. Aber kapitulieren gilt nicht, dranbleiben ist die Devise. Nach zehn Minuten steigt in mir eine wohlige Wärme auf und ich bin bereit, nach der ersten Runde von 2,5 km noch ein oder zwei weitere dranzuhängen. Am Ende bin ich zufrieden, es auf meine Weise geschafft zu haben. Sport ist für mich mehr als eine Körperertüchtigung, es ist eine Durchhalteübung mit einer spirituellen Dimension: Die eigenen Fähigkeiten, aber auch Grenzen erkennen; die Dankbarkeit spüren, die Natur erleben zu dürfen und noch auf den eigenen zwei Beinen unterwegs sein zu können; Weite zu spüren, Ängste zurückzulassen, Gottes Lebensodem in meinem Atem zu wissen; sich lebendig zu fühlen.

Mir ist bewusst, dass die gelegentliche Anstrengung eines mittelmäßigen Sportlers kaum etwas mit dem zu tun hat, was das Wort „Leiden“ wirklich bedeutet. Denn an demselben Stein hielt ich mich einmal zwei Stunden lang mit einer Frau auf, die neben mir im Rollstuhl saß. Sie war Patienten in der nahen Reha-Klinik und an Multiple Sklerose erkrankt. Sie konnte nicht mehr aus eigener Kraft laufen. An jenem Wegstein erzählte sie mir ihre Leidensgeschichte, die nicht nur mit dem fortschreitenden Verlust ihrer Muskelkraft zu tun hatte, sondern auch mit der Ausgrenzung durch ihre Familie. Ihr Ehemann machte ihr regelmäßig Vorwürfe, wenn er von der Arbeit heimkam, warum die Wohnung nicht in Ordnung sei, wo sie doch den ganzen Tag Zeit habe. Und als einmal ein Familienfoto gemacht werden sollte durfte sie nicht mit aufs Bild, weil eine Rollstuhlfahrerin, eine Behinderte, das ganze Bild verschandeln würde. Schlimmer als ihre Krankheit war dieses familieninterne Mobbing. Neben das körperliche Leid war das psychisches getreten. Sie haderte mit sich, mit ihrer Familie und mit Gott. An jenem Stein mit der Aufschrift „Im Ja zum Willen Gottes verliert das Leiden seine Macht“ haben wir gemeinsam überlegt, wie sie damit umgehen soll - ob sie als gläubige Person ihr doppeltes Leid als gottgegeben annehmen und in diesem Sinne „Ja“ (und Amen) zu allem sagen soll, was ihr widerfährt, oder ob es ganz und gar nicht Gottes Wille ist, dass sie so missachtet und verachtet wird?

Jahre später habe ich über eine andere Patientin gehört, was aus dieser Frau geworden ist: Sie soll sich mit ihrer Krankheit in dem Weise arrangiert haben, dass sie sich nicht von der Trauer um den Verlust vieler Möglichkeiten noch mehr lähmen ließ, sondern dass sie ihre verbliebenden Lebenskräfte aktivieren wollte. Sie hat aufgehört ihren Glauben an Gott in Frage zu stellen, sondern beschlossen sich von Gott für die Zukunft stärken zu lassen. Und sie hat ihre Familie verlassen, sich eine eigene Wohnung gesucht und so neben dem Lebensmut und ihrem Gottesglauben auch ihr Selbstwertgefühl wiedergewonnen. Das war ihr „Ja“ zum Leben und zum Glauben. Ja-Sager im christlichen Sinn ergeben sich nicht einfach in ihr Schicksal und wählen aus Bequemlichkeit den scheinbar einfacheren Weg, sondern stehen zu sich selbst und zu ihrem Gott und gewinnen daraus ihre Kraft.

So erlebe ich es auch bei Jesus in der Erzählung von seiner Versuchung durch den Teufel. „Teufel“ ist für mich keine Gestalt, die irgendwo ein Höllenfeuer schürt und „leibhaftig“ Menschen gegenübertritt. Sondern es ist die Stimme der Versuchung, seine Ideale und seinen Glauben aufzugeben. Ich stelle mir diese Versuchung bei Jesus als innerseelischen Vorgang vor. Nachdem er seinen Beruf als Zimmermann aufgegeben und seine Mutter sowie die ganze Familie im Stich gelassen hatte, um sich von Johannes taufen zu lassen und als Wanderprediger zu leben wird Jesus sich gefragt haben, ob das wirklich seine Bestimmung sein sollte? Wie viele berühmte Persönlichkeiten vor und nach ihm zog er sich in die Einsamkeit zurück, um Antworten zu finden. 40 Tage und vierzig Nächte blieb er in der Wüste, heißt es, um zu betonen, wie hart dieses Ringen war. Die erste Versuchung war die, seine ihm von Gott gegebenen Möglichkeiten auszunutzen, um sich selbst ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. „Brot“ steht für alles, was das Leben satt und leicht macht, für Absicherung und Sorgenfreiheit und den eigenen Erfolg. Aber „der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, sondern von allem mit dem Gott das Leben reich machen will. Gottes Worte der Liebe und Hoffnung sind wichtiger als materielles Auskommen. Jesus hält der Verführung stand, Gott zugunsten von Geld und Gut aufzugeben. Die zweite „teuflische“ Verführung weißt Jesus ebenfalls zurück: Gott herauszufordern und ihn für die eigenen Zwecke zu missbrauchen. Jesus muss sich nirgendwo herunterstürzen, um Gott zu zwingen ihn aufzufangen, er weiß sich auch so in Gottes Händen geborgen. Dass der Teufel, das Böse, die Stimme der Verführung ausgerechnet mit Psalm 91,11 ein Bibelzitat für sein perfides Werk benutzt, sollte uns vorsichtig machen wenn auch heute noch die Bibel missbraucht wird, um Böses gut zu heißen oder Gewalt zu legitimieren. Bei der dritten Versuchung geht es um die Aneignung von unbegrenzter Macht. Wie gefährlich es ist, wenn ein Herrscher andere Länder beansprucht, um sein Imperium zu erweitern erleben wir gerade an Putins Ukraine-Krieg. Da ist einer der Machtphantasie erlegen, sich die „Reiche der Welt“ zu nehmen und sei es mit Gewalt. Jesus weist die Stimme dieser Versuchung zurück. Wer seinen eigenen Allmachtphantasien anhängt und nicht dem allmächtigen Gott, der steht nicht auf der Seite des Guten, sondern des Bösen, des Teufels.

Jesus hat sich nicht in die Irre führen lassen. Er bleibt dran an dem, was er als gut und richtig erkannt hat. Er verrät nicht seine Ideale und verkauft seine Seele nicht. Er bleibt sich und seiner Lebensaufgabe treu. Er bleibt seinem Gott treu. Er spricht auf seine Weise sein Ja zu Gott und ist bereit, dafür Nachteile in Kauf zu nehmen. Jesus lässt sich auch durch sein Leiden und dann durch sein Sterben am Kreuz nicht von diesem Weg abbringen. „Im Ja zum Willen Gottes verliert das Leiden seine Macht.“

Dieser Satz, der der evangelischen Ordensschwester Basileia Schlink zugeschrieben wird, kann auch in uns seine Kraft entfalten. Zugegeben: Manchmal scheitere ich und muss aufgeben, im sportlichen und in anderen Bereichen. Manchmal fehlen mir Motivation und Perspektive. Doch aufgeben gilt nicht. Die Devise sollte sein: Am Glauben festhalten, die eigenen Ziele an Gott ausrichten, die Liebe leben, sich die Hoffnung bewahren, in den Worten Gottes eine Quelle der Inspiration und Kraft fin-den. Dranblieben ist der bessere Weg.

Jürgen Hofmann,

20.3.2022

Austauschmöglichkeit über diesen Impuls bietet das Format „einfach reden“

immer dienstags 19:30-20:30 Uhr, online per Zoom
Anmeldung heidi.wolfsgruber@bildung-evangelisch.com

Impulsfragen:

1. Welcher Versuchung will ich widerstehen?

2. Wo fällt es mir schwer durchzuhalten?

3. Was hilft mir Ausdauer und Rückgrat zu beweisen?

4. Welche biblischen Worte oder Texte geben mir Mut?