Der Dekan denkt laut nach:

Corona – „der Charaktertest“

Die einen hamstern Klopapier, die andern Rotwein.
Die einen reagieren hysterisch, die andern tun tiefenentspannt.
Die einen freuen sich über Corona-Ferien, die andern versinken in Depression.
Die einen verhängen Ausgangssperren,
die andern fragen, wann sie endlich wieder aufgehoben werden.
Die einen haben jetzt ganz viel Zeit, die andern sind systemrelevant.
Die einen helfen, die andern hadern.
Die einen sind die Helden, die andern spielen Blockwart.
Die einen haben sich ganz toll lieb, die andern pöbeln, hassen und feinden sich an.
Die einen schlagen daheim zu, die andern werden geschlagen.
Die einen müssen beatmet werden, die andern feiern Corona-Partys.
Die einen gehen pleite, die andern verdienen sich dumm und dämlich.
Die einen häkeln sich Masken, die andern klauen sie lieber.
Die einen senden täglich Corona-Spezial, die andern „daheim bleiben“.
Die einen gucken Outbreak, die andern das Traumschiff.
Die einen glauben, es waren die Chinesen, die andern Bill Gates und die Virologen.
Die einen glauben, die Natur rächt sich, die andern glauben Gott.
Viren in Fledermäusen, Viren im Netz, Viren im Kopf.
Die einen machen Social Distancing, die andern rücken zusammen.
Die einen entdecken das Spazierengehen, die andern ihren Balkon.
Die einen singen und musizieren, die andern klatschen.
Den einen hört man zu, den andern lieber nicht.
Glocken läuten abends um sechs, um sieben, um dreiviertelacht oder um neun.
Die Kirchen sind offen – und leer – wie sonst auch.
Pfarrer streamen, youtuben und podcasten als wären sie Bibi,
Gemeinden heben und senken die Daumen.
Die einen fühlen sich wie Stars im Talar, die andern …
Seelsorger telefonieren, mailen und chatten, Seelsorger beten.
Viele telefonieren, mailen und chatten, viele sind allein.

Charaktertest bestanden oder durchgefallen?
Oder vielleicht beides?

Dekan Uwe Rasp

Uffenheim, im Corona-April 2020

 

(Grafik: Plaßmann)